Die Zukunftsbäckerei: Was den Bäckereifachbetrieb nachhaltig macht

Titelbild Bäckerei

Regional, traditionell, bio – was den Bäckereifachbetrieb nachhaltig macht

Der Wettbewerb für traditionelle Handwerksbetriebe ist groß. Dennoch ist für das Bäckereifachgeschäft mit gutem Preis-Leistungsverhältnis eine Trendwende möglich. Wie kann sich eine traditionelle Bäckerei vor diesem Hintergrund von Backshops abgrenzen? Wie hält sie ihre Kunden? Wie gewinnt sie Kunden und erreicht Wettbewerbsvorteile? Darauf suchte die Arbeitsgruppe „Die Zukunftsbäckerei“ im Rahmen des EU -Innovations-Inkubators an der Leuphana Universität Lüneburg Antworten.

Gründe, über das Bäckerhandwerk von Morgen nachzudenken

In den letzten 60 Jahren ist die Zahl der Handwerksbäckereien von rund 55.000 in den alten Bundesländern auf nur noch 12.611 mit rund 30.000 Filialen in der heutigen Bundesrepublik gesunken. Auch die Zahl der Beschäftigten sinkt seit mehreren Jahren kontinuierlich, so waren laut Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes 2014 noch 277.200 Mitarbeitende (inklusive rund 20.000 Lehrlingen) in den Bäckereien beschäftigt. Die Zahl der Auszubildenden geht ebenfalls deutlich zurück: Im Jahr 2014 haben 11 Prozent weniger junge Menschen eine Ausbildung im Bäckerhandwerk begonnen als 2013.

Diagramm Lehrlingszahlen

Wie unterscheidet sich das Bäckereifachgeschäft von Backshops?

Mit den günstigen Preisen der Backwaren in Discountern kann ein Bäckereifachgeschäft in der Regel nicht mithalten. Als Alleinstellungsmerkmal dienen dem Bäckermeister insbesondere seine einzigartigen Produkte, die zu einem stimmigen Preis-Leistungsverhältnis angeboten werden. Mit Rezepturen, die im (Familien-)Betrieb weitergegeben werden, entstehen noch heute besondere Produkte. Sie erzeugen eine individuelle Note mit der sich ein Betrieb positiv herausstellen kann. Darüber hinaus ist die Möglichkeit für Kommunikation und Austausch im Bäckereifachgeschäft wichtig für die Kundenbindung. Bäckereien sind gerade in ländlichen Gebieten häufig Treffpunkt und ein Ort, an dem persönliche Gespräche geführt werden. Der Kontakt mit den Kunden ist Herausforderung und Chance zugleich.

Ökonomische und ökologische Aspekte berücksichtigen

Den Betrieb in seiner ganzheitlichen Wirkung zu betrachten bedeutet, sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Wer sein Bäckereifachgeschäft an diesen Nachhaltigkeits-Aspekten ausrichtet, schafft einen nachhaltigen Mehrwert und leistet damit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Regionale Gegebenheiten beeinflussen die Lieferbeziehungen der Rohwaren. Je nach Standort der Bäckerei bietet sich der Einkauf bei regionalen Zulieferern an. Dadurch stärken sich die Partner vor Ort und halten die Transportwege der Waren kurz. Durch den Auf- und Ausbau einer regionalen Lieferkette wird die Wirkung des Bäckereibetriebes in der Region deutlich.

Regional, traditionell, bio – was den Bäckereifachbetrieb nachhaltig macht

Aus der Arbeitsgruppe entstanden konkrete Möglichkeiten für inhabergeführte Bäckerei-Handwerksbetriebe, die traditionell arbeiten. Regionalität und Bio-Qualität der Waren spielen dabei eine besondere Rolle. Für die Zukunftsfähigkeit des Betriebes ist Kommunikation zudem  von enormer Bedeutung.

Innovative Produkte entwickeln und anbieten

Mit eigenen Rezepturen kommt die Kreativität des Bäckermeisters besonders zum Ausdruck.
Chancen für die Entwicklung von neuen Produkten bieten sich durch die Kundennähe und die
direkte Kommunikation mit den (potenziellen) Abnehmern. So lässt sich ein auf die Kundenwünsche zugeschnittenes Leistungsangebot entwickeln. Auch der Bezug zur Region ermöglicht die Kreation innovativer Produkte.

Mitarbeitende beschäftigen, ausbilden und weiterbilden

Als Arbeitgeber und Ausbilder haben Bäckermeister oftmals eine enge Verbundenheit mit der
Belegschaft. Dies ermöglicht eine mühelose Weitergabe der vom Inhaber gelebten Werte und
Normen – auch im Kontext von ökologischen und sozialen Aspekten.
Durch Aus- und Weiterbildung sichert der Betrieb sein Fortbestehen und seine Entwicklung.
Die Kommunikation, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden ist wichtig. Sie sind im Dialog mit Kunden und anderen Anspruchsgruppen und geben auf diesem Weg Informationen weiter.

Umweltschonend produzieren

Eine Bäckerei hat einen hohen Energieverbrauch, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Einsparpotenziale zu identifizieren dient daher der Wirtschaftlichkeit und der Umwelt gleichzeitig. Weitere wichtige Umweltaspekte sind

  • Abfallvermeidung,
  • Abfalltrennung und
  • Reinigung.

Stärken und Potenziale erkennen – sich im Wettbewerb differenzieren

Langjährige Familienrezepturen, innovative Produkte, lokale und regionale Gegebenheiten sowie ausgewählte Lieferanten bieten Möglichkeiten, einmalige Geschichten über die Produkte und den Betrieb zu erzählen. Mit einem Zugeständnis von Transparenz über betriebliche Abläufe und Besonderheiten lassen sich Kommunikationsargumente für die Kunden herausarbeiten und eine Differenzierung im Wettbewerb gestalten. Ein konkretes Alleinstellungsmerkmal in der Region kann der entscheidende Wettbewerbsvorteil für eine Traditionsbäckerei sein.

Die Publikation „Zukunftsbäckerei“ im PDF-Viewer

Anspruchsgruppen des Betriebes einbeziehen

Die Anspruchsgruppen von Bäckereibetrieben sind insbesondere die Kunden, Lieferanten und
Mitarbeitende. Darüber hinaus werden auch Kontakte zu Nachbarn, Handwerkskammer, Bäcker-Innung und Verbände sowie Universitäten gepflegt. Eine Zusammenarbeit mit diesen Akteuren erweitert die eigene Perspektive auf den Betrieb und ermöglicht damit eine Unternehmensentwicklung. Der Dialog unterstützt das Aufdecken von Innovationspotenzialen. Die Interessensvertretungen in der Bäckereibranche können darüber hinaus gesellschaftliche Diskussionen beeinflussen und damit nachhaltige Entwicklung gestalten.

Stärken darstellen: Nachhaltigkeit und Kommunikation

Ist die Backware hergestellt, bleibt die Frage, wie sie sich nun von günstigen Produkten aus dem Discounter differenziert. Welche Geschichte kann zum Produkt erzählt werden? Wie wird das Interesse derKunden geweckt? Welches Alleinstellungsmerkmal hat der Betrieb? Werden die Besonderheiten der Produkte sowie des Betriebs herausgearbeitet und kommuniziert, lassen sich Wettbewerbsvorteile generieren. Hierfür sind Informationen zu den Lieferanten, zur Herkunft der Rohwaren und zur Verarbeitung im Betrieb relevant. So kann die Wertschöpfungskette visualisiert und dokumentiert werden, das Bäckereifachgeschäft kann damit einzigartige Merkmale präsentieren und den Kunden die gewünschte Transparenz bieten. Darüber hinaus sollen in einem nachhaltig ausgerichteten Betrieb Kosteneinsparpotenziale aufgedeckt und die Schadschöpfung minimiert werden. Wie lässt sich Energie sparen, welche Abfälle lassen sich vermeiden, wie wird entsorgt? Auch hieraus ergeben sich Möglichkeiten für Kommunikation und Werbung.

Regionale Bio-Backwaren: Kundenkontakt und Vernetzung

Häufig sind Mitarbeitende im direkten Kontakt mit den Kunden und sollten fachkundige Informationen über die Backwaren liefern können. Aus- und Weiterbildung für die Angestellten sind daher unabdingbar, um die Kunden zu informieren und dadurch an ihr Bäckereifachgeschäft zu binden.

Die Erfahrungen aus dem Projekt „Die Zukunftsbäckerei“ zeigen, wie hilfreich die Abfrage bei Kunden zu ihren Erwartungen für die Betriebe ist. Die Kooperation zwischen den regionalen Bäckereibetrieben und dem Centre for Sustainability Management (CSM) ermöglichte den regionalen Bäckereien, eine fundierte Rückmeldung von ihren Kunden zu erhalten. Durch die wissenschaftliche Begleitung konnte u.a. die Nachfrage nach regionalen und Bio-Backwaren aufgezeigt werden.

Die Ergebnisse wiederum bieten Gelegenheit Kundenbeziehungen zu intensivieren und neue Verbindungen auch mit der Öffentlichkeit aufzubauen. Die teilnehmenden Betriebe nutzten zudem die Möglichkeit, sich im Projekt „Die Zukunftsbäckerei“ mit Experten aus Praxis und Wissenschaft auszutauschen. Auch dieser Austausch dient der Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens. Ein solches Netzwerk kann durch die Handwerkskammer vor Ort oder durch Forschungs- und Wissenstransferprojekte an Universitäten organisiert und unterstützt werden.

Weitere Informationen: Fachliteratur und Leitfäden

  • Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (Hrsg., 2006): Die umweltbewusste Bäckerei
  • Chrismon, Ausgabe 10/ 2014: Mareike Fallet und Nils Husmann: Unser täglich Brot, S. 12-20
  • GFS Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz Gemeinschaft (2007): Bio- Lebensmittel – umweltschonend und gesund?
  • IFEU – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Hrsg): Dr. Guido Reinhardt: Ökobilanz Brot – Fabrikbrot oder Heimbacken?
  • K öhn-Ladenburger, Christiane (2013): Marketing für LOHAS. Kommunikationskonzepte für anspruchsvolle Kunden, Wiesbaden
  • Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (Hrsg): Leitfaden Betrieblicher Umweltschutz im Bäcker- und Konditorenhandwerk
  • RKW Partner der Wirtschaft für Brandenburg GmbH: Projektmaterial Energieeffizienz Impulsgespräche in industriellen KMU und Handwerk – Energieeffizienz in der Bäckerei-
  • Stadt Heidelberg, Amt für Umweltschutz Energie und Gesundheitsförderung (Hrsg., 2003): Umweltmanagement bei Bäckereien und Konditoreien
  • Wolf ButterBack KG (2011): Handbuch Nachhaltig backen. Hintergrundwissen und gute Beispiele aus der betrieblichen Praxis von Handwerksbäckern

Ansprechpartnerin: Ursular Weber

Nach verschiedenen Stationen in mittelständischen und großen Unternehmen sowie als freiberufliche Moderatorin und Coach forschte Ursula Weber am Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg zum Themenkomplex Nachhaltigkeit in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Hier koordinierte sie u.a. mehrere Arbeitsgruppen im Innovationsverbund Nachhaltiger Mittelstand (INaMi), wie „Die Zukunftsbäckerei“, „Nachhaltigkeitsmanagementsysteme in KMU“ und „Nachhaltige Unternehmensführung“. In Abstimmung mit den Teilnehmenden der Arbeitsgruppe „Die Zukunftsbäckerei“ sowie Diplom- Wirtschaftspsychologin Kristina Elvers verantwortete sie die Kundenbefragung in regionalen Bäckereibetrieben. Im Anschluss daran erarbeitete sie mit weiteren Teammitgliedern diese Handreichung für Nachhaltigkeit in traditionellen Bäckereibetrieben.

Publikation:

Weber, U., Dietschmann, R., & Lühr, J. (2015). Die Zukunftsbäckerei: Regional, traditionell, bio – was den Bäckereifachbetrieb nachhaltig macht. 37 S. Lüneburg: Leuphana Universität Lüneburg. Link zur vollständigen Projektpublikation (PDF – 2,5 MB)