MBA Sustainability Management, Nachhaltige Neuigkeiten

MBA-Studierende mit Katjes auf Veggie-Kurs

„Alles veggie.“ – 2010 hat Katjes begonnen Fruchtgummi, Lakritz und Co. sukzessive auf vegetarisch umzustellen, seit 2016 verzichtet das Unternehmen bei der Herstellung seiner Produkte komplett auf tierische Gelatine. Damit ist Katjes ein Pionier in der Branche – und sehr erfolgreich. Wir nehmen mit MBA-Studentin Anette Dierks die Veggie-Strategie ihres Unternehmens unter die Lupe.

Sie haben auch im Rahmen Ihres MBA-Studiums Katjes als sehr guten Beispielfall eines Business Case for Sustainability ausgearbeitet und vor Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen präsentiert – haben Sie oder andere in Ihrem Unternehmen seit Ihrer Präsentation weitere Business Cases for Sustainability entwickelt?

Die Transformation zu einer vegetarischen Marke in unserem Segment war sehr weitreichend. Dies führte zu tiefgreifenden Veränderungen in zahlreichen Unternehmensbereichen, von der Produktentwicklung, der Produktion, dem Einkauf bis hin zur Kommunikation an unsere Handelskunden und Endverbraucher. Von daher muss man dem bestehenden Veggie Business Case auch Zeit geben, sich zu etablieren, zu reifen und weiter zu wachsen. Wir konnten mit der Einführung von Chocjes, einer veganen Schokolade mit UTZ-zertifiziertem Kakao, an unseren Weg anknüpfen, Veränderungen anzustoßen und Nachhaltigkeit in den Kern des Geschäftsmodells zu stellen.

Was hat Katjes zu der doch weitreichenden Umstellung auf Veggie-Produkte bewogen?

Der Fruchtgummi- und Lakritzmarkt hat ein Paradigma: Die Fruchtgummi- und Lakritzprodukte werden mit tierischer Gelatine produziert. Dabei ist Gelatine eine versteckte Zutat, die nach unserer Meinung keine Berechtigung in unserer Kategorie hat. Kein Mensch möchte „Fleisch im Bonbon“ haben. Zudem waren unsere ersten Produkte die Katjes-Kinder sowie die Yoghurt-Gums von Anfang an ohne Gelatine. Daher haben wir uns zurück auf unsere Wurzeln besinnt und 2010 angefangen uns auf „vegetarische Produkte“ zu konzentrieren. Das ist auch aus einem weiteren Grund sinnvoll: Die Produktion der Grün-Ohr-Bären  verursacht so beispielsweise 20 % weniger CO2-Emmissionen  als ein vergleichbares Produkt mit Gelatine.

2010 hat Katjes begonnen umzustellen; sechs Jahre später ist jedes Produkt, das das Werk verlässt mit dem V-Label „vegetarisch“ gekennzeichnet – wie lange haben Sie die Umstellung vorbereitet?

Nach einer Bestandsaufnahme und dem Formulieren der Strategie hat es ca. 2-3 Jahre gedauert, bis wir die kritischen Stellschrauben auf Kurs bringen konnten. Es war ein kontinuierlicher Prozess – geprägt von Weiterentwicklungen, dem Überwinden von Rückschritten, erneutem Lernen und Verstehen, Verbesserungen.

Viele Menschen wissen gar nicht, dass Fruchtgummi meist tierische Gelatine enthält –  wie schwierig war es, Konsument*innen so zum Kauf von Veggie-Produkten zu bewegen?

Durch die klare Kommunikation, die gewählt wurde, und durch die Einbindung von relevanten Stakeholdern, die auf die Glaubwürdigkeit der Umstellung positiv einzahlen konnten, ist es uns gelungen, unsere Konsument*innen auf diese Reise mitzunehmen. Und ganz klar stand am Anfang „Aufklärung“ auf unserer Kommunikationsagenda, denn vor fast zehn Jahren war das Thema „Veggie“ tatsächlich noch ein Nischen-Thema. Grundlage für das Gelingen war aber sicherlich auch, dass die Produktentwicklung zuvor so gute Arbeit geleistet hat und die Produkte die bestehenden Erwartungen an die Qualität in Form von Geschmack und Konsistenz erfüllen konnten.

Wie nah sind die Produktentwickler*innen im Geschmack und Konsistenz ans Original herangekommen – oder ist Katjes bei der Veggie-Umstellung ganz bewusst abgewichen?

Es gab ja beides: Umstellungen von bestehenden Rezepturen auf vegetarische Alternativen sowie komplette Neuproduktentwicklungen, bei denen wir bei der Entwicklung freier waren. Die neuen Produkte erlaubten uns eine bewusste Erweiterung des „Texturen-Spektrums“. Bei den bestehenden Produkten war es natürlich eine Herausforderung, die Konsistenz zu matchen – und je nach Produkt war das auch unterschiedlich schwer zu erreichen. Große Kompromisse sind wir nicht eingegangen, aber dennoch mussten wir manchmal bei 95 % Annäherung anerkennen, dass durch die Umstellung momentan Grenzen erreicht sind, die wir akzeptiert haben. Und die allermeisten unserer Kund*innen auch.

Bei der Veggie-Strategie spielt Tierwohl eine große Rolle. Inwieweit berücksichtigen Sie andere Nachhaltigkeitsthemen wie z. B. Umwelt- und Sozialstandards in der Lieferkette?

Diese Themen spielen eine große Rolle, sowohl in der Lieferkette als auch an den Standorten. Den Großteil unserer Rohstoffe beziehen wir regional, so stammt beispielsweise Zucker auf Basis von Zuckerrüben aus Deutschland und angrenzenden EU-Ländern, was ein gewisses Niveau durch relativ hohe Umwelt- und Sozialstandards bereits sicherstellt. Dennoch haben wir z. B. durch Hot-Spot-Analysen die für uns relevanten Themen ermittelt, an denen wir kontinuierlich und in Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten weiterarbeiten.

Katjes ist veggie, aber nicht bio – warum?

Wir haben vor einigen Jahren die Erfahrung gemacht, dass Konsument*innen nicht bereit waren, für unsere Produkte einen höheren Preis zu zahlen, wenn sie mit Biorohstoffen hergestellt waren. Von daher wäre die Frage eher an unsere Konsumten*innen zu richten: Ihr mögt Katjes in veggie, aber nicht in bio – warum? 😉

Seit 2014 gibt es bei Katjes eine Nachhaltigkeitsabteilung. Wie viele Menschen arbeiten als „explizite“ Nachaltigkeitsmanager*innen in der Abteilung und wie viele „implizite“ Nachaltigkeitsmanager*innen gibt es in anderen Abteilungen? (und in welchen…) Wie treiben Sie Nachhaltigkeit im Unternehmen voran?

Genau, seit 2014 verantworte ich bei Katjes den Bereich Nachhaltigkeit „explizit“, als „one-woman-show“ sozusagen. Unterstützt werde ich im Kern von einem 10-köpfigen, interdisziplinären Nachhaltigkeitsteam, das aus den Abteilungsleitern aller relevanten Fachbereiche (u. a.  Produktentwicklung, Produktion, Technik, Einkauf, Marketing, Vertrieb, Personalabteilung) besteht sowie dem Gesellschafter und Inhaber Bastian Fassin. In den Fachbereichen werden die Themen operativ umgesetzt, während bei mir in Abstimmung mit der Geschäftsführung die strategische Ausrichtung liegt. In quartalsweisen Meetings tauschen wir uns über den Stand der Umsetzungen aus und legen die nächsten Schritte gemeinsam fest.

Um Nachhaltigkeit bei Katjes voranzutreiben, versuchen wir auf mehreren Ebenen zu agieren. Einerseits sind wir dabei, das Thema mehr und mehr in die Abteilungen zu integrieren – sodass am Ende des Tages alle Mitarbeitenden zu Nachhaltigkeitsverantwortlichen werden. Dazu muss das Thema gut „übersetzt“ werden, damit jeweils Anknüpfungspunkte in die einzelnen Bereiche gefunden werden können. Das Thema ist so vielfältig, dass sich wirklich viele darin wiederfinden können, wenngleich jeder einen anderen Zugang oder Treiber dazu haben mag. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man viele Türen öffnen. Weiterhin hilft es, neben den strategischen Themen auch ganz konkrete, greifbare Maßnahmen durchzuführen und das entsprechend intern zu kommunizieren; denn auch so kann man Mitarbeitende gut auf dem Weg mitnehmen. Wer täglich seine eigene Trinkflasche in der Hand hält und sie mit Leitungswasser aus einem Wasserspender befüllt, statt aus einer PET-Flasche zu trinken, die seit der Befüllung bis zu uns ins Werk schon weit gereist ist, wird mehrmals am Tag an seinen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit erinnert – ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Ganz wesentlich ist darüber hinaus, dass ich auf Bestehendes aufbauen kann, da Nachhaltigkeit im Unternehmen schon seit Gründung fest verankert ist, und dass die Geschäftsführung des Familienunternehmens hinter dem Thema steht. Die dadurch bestehende Authentizität, die von jedem unmittelbar gespürt wird, ist ein großer Wert in der täglichen Arbeit.

Bis 2030 hat Katjes sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen des Unternehmens um 45 % zu verringern – welche Rolle spielen die Veggie-Produkte dabei und was tut Katjes noch, um den CO2-Fußabdruck des Unternehmens zu verringern?

Die Zielsetzung bezieht sich zunächst auf die Einsparungen der Emissionen an den Standorten. Die Umstellung auf Veggie leistet darüber hinaus einen Beitrag zum Klimaschutz – und zwar auf doppelte Weise: Zum einen haben wir dadurch den CO2-Fußabdruck in unseren Produkten verringert, was wir durch Ökobilanzen für ausgewählte Produkte auch ganz konkret ermittelt haben, zum anderen konnten wir durch die Kommunikation zu „vegetarischer Ernährung“ einen Beitrag zur Sensibilisierung unserer Konsument*Innen leisten, was sich im besten Fall auch positiv auf deren Ernährungsverhalten und somit den Klimaschutz auswirkt. Darüber hinaus versuchen wir an den Stellen, an denen wir unmittelbar Emissionen vermeiden oder reduzieren können, auch entsprechend wirksam zu werden. Sei es durch Einsparen von Energie und Emissionen durch Verhaltensänderungen oder neue technische Möglichkeiten, durch Investitionen in energieeffizientere Anlagen oder durch den Bezug von Ökostrom an allen unseren Standorten. Wir sind auf einem guten Weg, aber es bleibt auch noch wirklich viel zu tun!

Aktuelle Umsatzzahlen veröffentlicht Katjes nicht, aber Schätzungen zufolge haben sie sich seit 2006 verfünffacht – ist Katjes mit und durch den Veggie-Kurs besonders erfolgreich?

Wir haben gerade den Deutschen Marketingpreis gewonnen und kurz zuvor den Goldenen Zuckerhut  –beides sind bedeutende Auszeichnungen in unserem Umfeld. Der Mut für die Umstellung auf Veggie an sich, aber auch für die entsprechende Kommunikation hierzu, hat dazu geführt, dass wir das Profil unserer Marke noch deutlich schärfen konnten. Das wurde durch die Preise bestätigt – und zeigt, dass wir mit Veggie gut auf Kurs liegen

Vielen Dank für die Einblicke und weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Nachhaltigkeitsmanagement.

Weiterlesen: Katjes Nachhaltigkeitspublikation

Das Interview führte Anna Michalski vom Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg.

Bild: Katjes