aus dem CSM

Debatte: Heben SDGs Nachhaltigkeitsmanagement auf neue Ebene?

Seit Anfang diese Jahres gelten bis 2030 die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Die SDGs lösen damit die UN-Milleniumsziele ab und sollen in die nationalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsprogramme eingehen. Für Deutschland ist die Einbeziehungen in die Neufassung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie bereits formuliert – Aber was machen die Unternehmen?

Nachhaltigkeit geht alle Nationen an

Die Sustainable Development Goals richten sich jedoch nicht nur an Regierungen, sondern auch an Unternehmen und Bürger. Jede/r ist eingeladen, sich direkt an der Umsetzung der Ziele zu beteiligen. Damit heben sich die Ziele in zweifacher Hinsicht von den Milleniumszielen ab.

Schwellen- und Entwicklungsländer liegen nicht mehr im alleinigen Fokus – Nachhaltigkeit geht alle Nationen an. Als Akteure werden nicht nur Regierungen angesprochen. Insb. die gewichtige Rolle von Unternehmen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen wird stärker anerkannt.

Viele Unternehmen bekennen sich zu Sustainable Development Goals

Das Echo von Unternehmen zeigt, dass diese Botschaft angekommen ist. während die Milleniumsziele in der Programmatik des Nachhaltigkeitsmanagements in der Vergangenheit wenn überhaupt dann nur eine untergeordnete Rolle spielte, bekennen sich neuerdings viele Unternehmen ausdrücklich zu den SDGs und informieren öffentlichkeitswirksam über ihren Beitrag zum Erreichen einzelner genannter Ziele.

Beispielhaft hierfür stehen Beiträge auf den Websites von Bayer, BASF und SAP. Übrigens sind diese drei auch genau jene DAX-30-Konzerne, die ihren Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht bereits nach dem Integrated-Reporting-Framework vereinigen.

Akzeptanz mit Konsultationsprozess vs. Cherry-Picking?

Bemerkenswert an den neuen Ziele ist auch, dass sie eigentlich keine Wünsche offen lassen. Die Anzahl der Oberziele (17) und Unterziele (169) wirkt vielmehr äußerst umfassend und ambitioniert. Nichts scheint übersehen worden zu sein, was global wünschenswert auf das Gemeinwohl einzahlt. Darin spiegelt sich ein umfassender Konsultationsprozess wider. Auch viele NGOs wurden im Vorfeld hierzu befragt und sind offenbar alle gleichermaßen erhört worden.

Gerade deshalb werden die SDGs jedoch auch kritisiert. Das allgemeine „Wünsch-Dir-was“ lässt klare Prioritäten vermissen. Mögliche Trade-Offs, Konflikte und Synergien zwischen einzelnen Zielen werden zu wenig beachtet.

Verlocken die SDGs zur „PR des Rosinen-Rauspickens“?

Für Unternehmen eröffnet der umfassende Zielkatalog hingegen die Gelegenheit zum „Cherry-Picking“. Weil niemand verlangen kann, dass sich ein Unternehmen für alle genannten Ziele gleichzeitig einsetzt, bleibt es jedem Unternehmen offen, sich jene Ziel rauszusuchen, die ohnehin gut in die eigene Landschaft passen und mit denen man sich hier gut ins rechte Licht rücken kann. Gut auf den Punkt gebracht wird diese Kritik zum Beispiel im IASS-Working-Paper „Wie viel Entpolitisierung vertragen die SDGs? – PDF (1,3 Mb)

Auf der anderen Seite kündigen einige Unternehmen auch an (z.B. Commerzbank oder BMW), sich bei der zukünftigen Schwerpunktsetzung im Nachhaltigkeitsmanagement umfassend an den SDGs zu orientieren, indem diese Ziele systematisch in die Wesentlichkeitsanalyse (z.B. via GRI-Materiality-Matrix) einbezogen werden sollen.

Welche Einschätzung teilen Sie, wenn Sie sich die Websites der genannten Unternehmen ansehen? Verlocken die SDGs zu „billiger PR des Rosinen-Rauspickens“ oder sind die SDGs geeignet, das Nachhaltigkeitsmanagement auf eine neue umfassendere Stufe zu stellen?

Dr. Holger Petersen
Tel.: +49-(0)-4131.677-2234
holger.petersen@uni.leuphana.de


Hinweis: Dieser Beitrag basiert auf einem Text der im Rahmen eines Lehr-Moduls zum Nachhaltigkeitsmanagement enstanden ist. Die Diskussion ist Teil einer typischen Auseinandersetzung bei Fragestellungen zu Nachhaltigkeitsstandards und unternehmerischen Initiativen zur Nachhaltigkeit.