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MBA-Alumna bei EU Sustainable Energy Awards ausgezeichnet

MBA Sustainability Alumna Katharina Habersbrunner mit Solarpanel

Dezentral, geschlechtergerecht, erneuerbar – für diese Energiewende setzt sich Katharina Habersbrunner seit mehr als zwei Jahrzehnten ein. Für ihr Engagement wurde die Alumna des MBA Sustainability Management im Rahmen der diesjährigen EU Sustainable Energy Awards in der Kategorie „Women in Energy” ausgezeichnet.

Bereits 2011 hat sie in München die Energiegenossenschaft BENG eG mitgegründet und ist seitdem im Vorstand der Genossenschaft mit mehr als 300 Mitgliedern aktiv. Als Vorstandsmitglied vom Bündnis Bürgerenergie BBEn e.V. setzt sie sich auf nationaler und EU-Ebene für eine 100% erneuerbare Energiepolitik ein. Hauptamtlich treibt sie als Projektleiterin und Vorstandsmitglied der NGO Women Engage for a Common Future (WECF) die Energiewende nicht nur lokal, sondern international voran. Was sich hinter dem Preis verbirgt und wie sie Ihre Mission verfolgt, berichtet Katharina Habersbrunner im Interview.

Sie wurden in in der Kategorie „Women in Energy” ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch! Was verbirgt sich hinter diesem Preis?

Vielen Dank für die Glückwünsche! Die Europäische Kommission würdigt jedes Jahr im Rahmen der Energiewoche EUSEW „European Sustainable Energy Week“ herausragende Personen und Projekte für ihre Innovationen im Energiesektor und im Bereich der erneuerbaren Energien. Zusätzlich zu den Preiskategorien Engagement, Innovation und Jugend wurde 2020 der Preis in der Kategorie „Women in Energy“ zum ersten Mal verliehen.

Bei der Energiewende und Energieversorgung ist augenfällig, dass sowohl die Politik als auch die Wirtschaft nach wie vor deutlich von Männern dominiert sind. Die traditionell stärker auf Vorsorge ausgerichteten Einstellungen von Frauen finden politisch wenig Niederschlag, obwohl Frauen laut Umfragen die größten Unterstützer*innen der Energiewende sind. Laut Erhebungen der OECD erweisen sich Frauen als „vergleichsweise nachhaltigere Konsumentinnen und sind sensibler für ökologische und gesundheitliche Belange“. Das zeigt sich vor allem in ihrer erhöhten Bereitschaft zu recyceln, Abfall zu vermeiden und beim Einkauf Produkte mit Bio- und Umweltsiegel zu bevorzugen. Ein energieeffizientes Transportwesen hat einen höheren Stellenwert bei Frauen. Diese Einstellungen bergen enormes Transformationspotential. Frauen sind daher Schlüsselakteure bei der Verlagerung hin zu nachhaltigen Energie- und Konsummustern und dazu braucht es mehr Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten mit und für Frauen.

Dieser Preis zeigt, dass das Thema mehr Beteiligung von Frauen im Energiebereich und grundsätzlich mehr Geschlechtergerechtigkeit bei der Europäischen Kommission an Bedeutung gewinnt. Die Auszeichnung fand im Rahmen der European Sustainable Energy Awards am 23. Juni 2020 statt, die aufgrund der noch bestehenden Einschränkungen online durchgeführt wurde.

Impressionen der Online-Titelverleihung „EU Woman in Energy 2020“

„Leave no one behind” – was bedeutet das im Energiesektor und was tun Sie, um das zu erreichen?

Sie beziehen sich mit „Leave no one behind“ auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen, den SDGs. Niemanden zurücklassen bedeutet, dass alle Menschen teilhaben an einer nachhaltigen Entwicklung, d.h. es geht um Gerechtigkeit zwischen Nord-Süd, Stadt-Land, Frauen-Männer, arm-reich, etc.

Auch im Energiebereich sehen wir viele Ungerechtigkeiten. Global gesehen leben ca. 840 Millionen Menschen ohne Zugang zu Strom. Die gute Nachricht ist, dass die Zahlen sinken, aber wir hinken weltweit den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, die für 2030 festgelegt wurden auch im Bereich Energie hinterher. Die Stromversorgung der entlegensten Gebiete bleibt eine große Herausforderung. Bei unseren Projekten in Uganda und Äthiopien informieren wir die Menschen über die Möglichkeiten erneuerbarer Energie und befähigen sie, die Technologien anzuwenden, für den privaten Haushalt und auch in landwirtschaftlichen Genossenschaften. Unser Ziel ist es, Frauen und Männer gleichermaßen anzusprechen, sie zu befähigen die Technologien zu verstehen und anzuwenden und grundsätzlich die Arbeit und Projekte von Frauen sichtbarer zu machen.

Auch in Deutschland haben nicht alle Menschen die Information, die Zeit und die finanziellen Mittel die Energiewende mitzugestalten. Auch hier ist es wichtig, die Energiepolitik und die Projekte sozial- und geschlechtergerecht zu gestalten und allen Menschen echte Teilhabe zu ermöglichen. Hier spielen zum Beispiel eine geschlechtergerechte Sprache und Kommunikation eine sehr wichtige Rolle.  Sprache und Kommunikation setzen Signale und prägen, wie wir denken, was wir sehen und für möglich halten. Geschlechtergerechte Kommunikation beschränkt sich nicht auf die Sprache allein. Sie zeigt sich z.B. auch in der Auswahl von Bildern oder Beispielen: Welches Geschlecht zeigt sich auf Webseitenfotos und bei welcher Aktivität? Oft sehen wir im Energiebereich Bilder und Filme mit mehrheitlich weißen Männern oder ‘männlichen’ Piktogrammen. Somit wird das männlich geprägte Image des Energiesektors verstärkt und der dringend benötigte Wandel hinzu Geschlechtergerechtigkeit unterbunden. All dies berücksichtigen wir bei den Projekten.

Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus?

Die Coronakrise zeigt uns recht schmerzlich: Die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen basieren auf stabilen und resilienten Versorgungsinfrastrukturen. Diese basieren ihrerseits auf intakten Ökosystemen. Die Klimakrise stellt diese Sicherheit grundlegend in Frage. Ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Klimakrise ist ein massiver und schneller Umbau unseres Energiesystems mit einer 100% erneuerbaren Energieversorgung.

Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir mit einer dezentralen, sozial- und geschlechtergerechten Bürgerenergiewende heute das „Richtige“ tun und damit einen nachhaltigen Strukturwandel und eine gerechte und resiliente Gesellschaft für morgen ermöglichen. Obwohl die Mehrheit der Gesellschaft, d.h. konkret mehr als 90% für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ist, hat dieser an Schwung verloren und spiegelt sich leider nicht in der Energiepolitik wider. Bis jetzt sind Bürgerinnen und Bürger die aktivsten Trägerinnen und Träger des Ausbaus der erneuerbaren. Über ein Drittel aller Eigentümer*innen von erneuerbare Energie-Anlagen in Deutschland sind Privatpersonen. D.h. eine Energiewende, die für alle funktionieren soll, braucht echte Beteiligung von Frauen, Männern, allen Bürger*innen. Denn wenn die Energiewende schnell genug sein soll, um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist eine dezentrale, erneuerbare Energieversorgung mit Partizipation aller Bevölkerungsgruppen der einzige Weg.

Sie sind Alumna des MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg den – wie hilft Ihnen der Studiengang auf Ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?

Der MBA Sustainability Management prägte mich sehr zu mehr Nachhaltigkeit. Das Thema Nachhaltigkeit war mir natürlich immer schon sehr wichtig, aber die Kompetenzen, die vermittelt wurden, die anwendungsbezogenen Fallstudien, der Austausch mit den Kommiliton*innen waren sehr profund und vielfältig und haben mein Wissen professionalisiert. Meine Masterarbeit habe ich über Energiegenossenschaften geschrieben. Obwohl es ein Online-Studium war, haben wir uns in mehreren Präsenzveranstaltungen zu verschiedenen Themen getroffen. Aus dem MBA ist ein für mich sehr wichtiges Netzwerk entstanden, das ich aktiv pflege und nutze.

Die EU-Kommission hat einen „Green Deal” verabschiedet – ist das eine Chance für die Energiewende oder ein zahnloser Tiger?

Ich begrüße den Impuls ausdrücklich, den die Europäische Kommission mit dem Green Deal setzt, aber es lohnt sich schon, genau hinzusehen. Alle Länder und Gesellschaften müssen sich die Frage stellen, wie wir ein gutes Leben in Zeiten der Klima- und Coronakrise, dem Artensterben und der Ressourcenkrise ausgestalten können. Einige der im Green Deal der EU beschriebenen Maßnahmen gehen auf jeden Fall in die richtige Richtung, z.B. im Energie- und Klimabereich: Anhebung des bisherigen Emissionsziels von 40% auf 55% Reduktion bis 2030, die Überlegungen zu einem CO2-Grenzausgleichssystem sowie die angekündigte strenge Prüfung der Effizienzvorschriften für Gebäude. Leider wird dem Thema dezentrale Bürgerenergie und lokale Energiemärkte keine Beachtung geschenkt, worauf wir ja sehr setzen.

Und es fehlen weitgehend verbindliche Ziele und konkrete Maßnahmen für ein drastisches Senken von Ressourcen- und Energieverbrauch. Vor allem das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 ist viel zu spät angesetzt, da sind sich die Klimawissenschaftler*innen einig. Hier brauchen wir einen massiven Umbau unseres Energiesystems mit 100% erneuerbarer Energieversorgung bis 2030! Die EU sieht sich auch nicht in der Lage, Atomkraft und Erdgas als nicht tragbare Energiequellen auszuweisen; das lässt hier starke Zweifel an den ökologischen Ambitionen des Green Deals aufkommen.

Die Genderdimension fehlt komplett im Green Deal. Durch Energie- und Klimapolitik können Ungleichheiten und bestehende Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern perpetuiert oder verstärkt werden. Diese Ungleichheiten müssen sichtbar gemacht werden, damit Anstrengungen in Richtung Geschlechtergerechtigkeit in die Energie- und Klimapolitik integriert werden. Es gibt ambitionierte Ziele für Geschlechtergerechtigkeit, wie die EU Gender Equality Strategy. Aber eine wirkungsvolle Energie- und Klimapolitik kann nur mit Genderperspektive umgesetzt werden. Hier braucht es mehr Kohärenz zwischen den Rahmenbedingungen.

Ein Green Deal, der die ökologischen Krisen ernsthaft und beherzt angeht, muss Rahmenbedingungen für ein Wirtschaftssystem für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, des Gemeinwohls und des sozialen Zusammenhalts entwickeln. Das waren jetzt natürlich viele Kritikpunkte am Green Deal. Dennoch finde ich diesen Rahmen begrüßenswert und hoffe sehr, dass die deutsche Bundesregierung die Kommission bei der Umsetzung dieses Zukunftsplans aktiv und ambitioniert unterstützt.

Vom Großen zum Kleinen: Wie kann sich jede*r Einzelne für gerechte und erneuerbare Energiewende einsetzen?

Da gibt es wirklich viele Möglichkeiten. Wir können zu einem Ökostromanbieter wechseln, Mitglied bei einer Energiegenossenschaft werden, sich aktiv engagieren in einer Bürgerenergiegesellschaft, Mieterstromprojekte in der eigenen Hausgemeinschaft voranbringen und v.a. Strom zu sparen! In eigenen Verbänden und Organisationen das Thema soziale und Geschlechtergerechtigkeit auf die Tagesordnung bringen und für die Entscheidungsträger*innen Trainings oder Kurse dazu organisieren. Natürlich ist politisches Engagement wichtig. Wenn die Bevölkerung mehrheitlich für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ist, muss sich das in der Energiepolitik widerspiegeln.

Vielen Dank, wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf dem Weg hin zu einer wirksamen Energiewende!

Das Interview führte Anna Michalski vom Centre for Sustainability Management (CSM), Leuphana Universität Lüneburg.

Weiterlesen:
WECF – Women Engage for Common Future e.V. Deutschland
EU Sustainable Energy Awards 2020
– Katharina Habersbrunner

Bilder: Katharina Habersbrunner